oder: Wie genau macht die SPD eigentlich Opposition?
Nach der handstreichartigen Kür von Walter Steinmeier zum SPD-Fraktionsvorsitzenden kündigte dieser in einer gewohnt rumpeligen Rede eine starke Opposition gegen Schwarz-Gelb an. Momentan hört und sieht man allerdings von der ehemaligen Volkspartei und ihrem Fraktionschef wenig; ausser dass sie auf der Suche ist: nach der Vergangenheit, nach einem Sinn, nach Einigkeit, einem Weg, neuen Mitgliedern… vor diesem Hintergrund empfehle ich allerdings eher einen Töpferkurs zur Selbstfindung.
Die Mitgliederzahlen der ehemaligen Sozialdemokraten haben jedenfalls einen historischen Tiefstand erreicht: weniger Mitglieder als jetzt hatten sie seit Ende des Zweiten Weltkriegs noch nie zu verzeichnen, Tendenz weiterhin fallend. Seit 1990 ging’s rauschend bergab, weder der Basta-Kanzler und seine Regierung noch der knackige Ex-Vizekanzler aus Brakelsiek konnten daran etwas ändern. Was diese Mitgliederkurve, als Börsenkurs interpretiert, nahelegen würde, möchte ich mir gar nicht erst zusammephantasieren.
Ob und wie Genosse und Umweltfreund Sigmar, der sich schonmal ganz leistungsträgermäßig vom Malle-Urlaub auf Steuerkosten in eine Parlamentssitzung und zurück fliegen lässt, seine angekündigte „Strukturreform“ in der SPD mit „Meinungsbildung von unten nach oben“ durchsetzen kann, ist fraglich. Dazu müsste nämlich die Revision einiger Standpunḱte der Partei stattfinden; beispielsweise zum Afghanistan-Einsatz oder der Agenda 2010. Bei beiden Themen war allerdings Walter Steinmeier architektonisch und / oder federführend beteiligt am status quo. Wie also eine glaubhafte Parteireform stattfinden soll, ohne Steinmeier oder die gesamten Seeheimer (zu denen auch Gabriel gehört) endlich rauszukegeln, ist mysteriös: Voodoo? Ein Töpferkurs? Zivil-militärische Zusammenarbeit?
Schaut man bei der Meinungsbildung mal nach dem Nachwuchs, so weiss die Juso-Chefin Franziska Drohsel maximal zuzugestehen, dass sie SPD bei Hartz4 „bald zu einer eindeutigen Haltung kommen muss“. Das ist eine echte Kampfansage! Bis wann, Fr. Drohsel? „Spätestens bis zum Parteitag im Herbst“. Klingt nicht so, als wären die Jusos irgendwie am Zug. Aber immerhin kann sie sich Frank-Walter auch auf einer Demo vorstellen. Auf einer Demo gegen den Sozialabbau oder gegen eine Umgehungsstraße bei Bad Salzdetfurth? Wow. Dann gibt es ja noch Hoffnung!
Während engagierte Mitglieder wie Schäfer-Gümbel eine unglaubliche Anstrengung vollbringen, das SPD-Desaster in der Demokratischen Republik Kochistan aufzuräumen und dabei eine echte Weiterentwicklung der Partei erreichen wollen, fällt die Kandidatin Kraft für die ach so wichtige NRW-Wahl hingegen dadurch auf, dass sie überhaupt nicht auffällt. Ein weiteres Debakel für die SPD scheint hier schon vorprogrammiert.
Sollte man sich als Oppositionführer auf ein Treffen der Fraktionsspitzen einlassen, um einen Entwurf für die künftige Afghanistan-Strategie auszuhandeln, der im Parlament mehrheitsfähig ist (sprich: der per Fraktionszwang ohne viel Zähneknirschen abgenickt werden kann)? Dies scheint Steinmeiers Vorstellung von Opposition zu sein. Bringt dies doch die zaghaften Stimmen innerhalb der SPD über einen Kurswechsel bezüglich des ISAF-Mandats wieder zum Verstummen.
Eine Repositionierung zur Agenda 2010 ist von ihrem Architekten sicher nicht zu erwarten, auch kein Umdenken bei deutscher Beteiligung an Kriegseinsätzen: schliesslich schalterte und walterte Steinmeier schon eh und je auch in diesem Ressort herum. Kurnaz und Kunduz seien hier noch einmal erwähnt. Auch die wirklich groben Patzer der Schwarz-Gelben (machtpolitisches Gerangel, Hoteliersspenden, Steuersenkungszwist, …) nutzt der Walter nicht zur Kritik. Es ist schon verdächtig, wenn Spiegel Online (wie zur Zeit) der Kanzlerin mehr Gegenwind bietet als der Oppositionsführer im Parlament. Und die SPD irrt plan-, ziel- und positionslos durch die Lande und jammert, während ihr Anführer, der Walter, unfähig ist, aufgrund des Ergebnisses der BuTaWa 2009 die Konsequenz zu ziehen, dass selbst SPD-Wähler ihn nicht mehr haben wollen.
Fazit: ein unsichtbarer Gegner mag zwar die SPD sein, Steinmeier aber sicherlich nicht: jener viel eher ein offensichtlicher Saboteur wirksamer Opposition von Seiten der SPD. Sein Verhalten deutet schliesslich darauf hin, dass er sich immernoch als Vize-Regierungschef begreift. BILD meint: Parteibuch wechseln!