Übrigens

Politische Erdrutsche

Griechenland weg. Koch weg. Köhler weg. Zwei Bundestagsabgeordnete (vorläufig) weg nach israelischem Angriff auf Hilfskonvoi. Besti flokkurinn, eine Spaßpartei, gewinnt die Wahlen in Reykjavik gegen alle etablierten. Die großen tschechischen Volksparteien sind abgestraft worden, diverse Rücktritte schon erfolgt…

Bei der heimischen Situation geblieben: bin ja gespannt, ob Schwarz-Geld auf Bundesebene jetzt irgendwie ins Schlingern gerät. Und ob wir hier endlich kapieren, dass der Bundeshorst recht gehabt hat: dass nämlich Kriegsführung immer auch ökonomischen Interessen dient und wir diesbezüglich unseren Regierungen auf den Leim gegangen sind.

Ich kann gar nicht glauben, wieviel innerhalb kürzester Zeit so passiert ist und bin gespannt, was das noch nach sich zieht. Übrigens: heute ist Quit Facebook Day.

Update: Achso, Tauss ist auch weg. Und die japanische Regierung möglicherweise auch bald, nachdem ein südkoreanisches U-Boot mutmaßlich von CIA-Torpedos versenkt wurde. Ist doch immer dasselbe: die USA schüchtern ihre Alliierten ein, um zu zeigen, was sie mit ihren Feinden machen (könnten). Call the bluff, idiots!

PS: Glückwunsch an „unsere Lena“ und viel Erfolg Jogi Löw und seiner Rumpeltruppe! Und schön, dass das Oderhochwasser brav gen Ostsee flüchtet, nachdem es der Fratze Fr. Dr. Merkels ansichtig wurde. Alles wird gut!

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Übrigens

Ceterum censeo

„Über jede Sache kann man zwei Reden halten.“ (Protagoras)

Man betrachte folgende Paarungen: „aufstrebender Badeort / Großbaustelle am Meer“, „Mauer / antifaschistischer Schutzwall“, „Seit 5:45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen! / …geschossen!“, „Terrorist / Freiheitskämpfer“, usw. usf.

Faszinierend für mich als Linguisten, aber fangen wir vorne an. Bei der kognitiven Meisterleistung, aus irgendwelchem akustischen Gestammel und Geblubber einen Sinn zu ziehen, brauchen wir eine fundamentale Annahme: wir unterstellen dem Wahrgenommenen a priori, es habe Sinn. Erst wenn wir beim „Entschlüsseln“ auf Widersprüche, kognitive Dissonanzen, stoßen, versuchen wir (wohlwollend) Sinn hinzuzufügen oder das bisher Entschlüsselte nochmal zu überarbeiten. Dieser Prozess findet auf allen sprachlichen Ebenen statt.

So ist nachvollziehbar, wie diese Art von Manipulation funktioniert: wird keine kognitive Dissonanz ausgelöst, werden die (hier in knackige Begriffe) verpackten Konzepte vom Entschlüssler mit übernommen und deren Vorbedingungen wiederrum als wahr angesehen (sonst wäre die Übermittlung eines solchen Konzeptes schließlich gescheitert). Und auf der Bedeutungsebene von Sprache lässt sich eine Dissonanz nur durch unvollständige oder gegenteilige Faktenlage und das definitive Wissen darum auslösen. Schwierig, wenn uns als integer und professionell geltende und (wenn man Glück hat) im Reden, in ihrer Stimme und Körpersprache geschulte Menschen über weit entfernte Dinge erzählen und so suggerieren, ihre Kenntnis der Fakten sei vollständig und die Vorbedingungen ihrer Konzepte deswegen gültig und vermittelbar.

Bei jeder obskuren Gebrauchtwagenanzeige würde man denken: „Hm, den Wagen besser nochmal selbst anschauen“. In einem einseitigen Kommunikationskanal wie einer Rede, den Printmedien, dem Radio und Fernsehen will allerdings selten jemand aus der Masse der Empfänger herausstehen, sollte er meinen, ihm würde da gerade etwas „untergejubelt“. Keine Ahnung warum, ist nur ein empirischer Befund, also ab, den Psychologen und Soziologen fragen. Dies bezieht sich auch auf diejenigen, die Informationen empfangen (leider seltener als investigativ sammeln), umgruppieren, (leider selten) reflektieren und so aufbereitet weiterreichen. Die Journalisten.

Und dies bringt mich nun nach langer Vorrede zum Lesetipp: Journalism and the ‚words of power‘ von Robert Fisk, Nahostkorrespondent des Independent.

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Krieg ist Frieden

Verplappert

Horst Köhler, aktueller Bundespräsidentendarsteller, ehemaliger Direktor des IWF und Mitglied der Trilateralen Kommission, hat sich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk verplappert. Besonders unschönes Detail: der Mitschnitt des Interviews wird binnen kurzem vom Deutschlandfunk aus dem Netz entfernt. Zunächst aber eins nach dem anderen. Hier ist eine der umstrittenen Passagen:

Meine Einschätzung ist aber dass wir insgesamt auf dem Wege sind doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen dass ein Land unserer Größe, mit dieser Aussenhandelsorientierung und damit auch Aussenhandelsabhänigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist um unsere Interessen zu wahren. Zum Beispiel: Freie Handelswege. Zum Beispiel: ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen, negativ, durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.

Unverblümt wird hier der weltweite Einsatz der Bundeswehr als Konzernsöldner beschrieben — wo auch immer nötig, wird mit Waffengewalt Investitionssicherheit geschaffen. Innerhalb eines Auftrags an einen Militärdienstleister wie Xe Services LLC ist das Entsenden solcher Söldnertruppen sicher möglich, wenn auch wahrscheinlich und zum Glück mit internationalem Recht schwer vereinbar. Sollen aber die parlamentarisch kontrollierten Streitkräfte eines Rechtsstaates (auf Kosten des Fiskus zudem) für solche Missionen angedacht werden, die ihnen durch das Grundgesetz klar untersagt sind, muss Horst Köhler als erwiesener Verfassungsfeind in der Versenkung verschwinden.

Hier versucht jemand, eine entsprechende Anzeige ans Laufen zu bekommen; auch rechtliche Details finden sich dort für Interessierte. Eine Bundeswehr, die als internationale Eingreiftruppe im Auftrag der privaten Wirtschaft und auf Kosten der Bürger unterwegs ist, ist schlicht pervers. Dieser Umbau hat in den letzten 10 Jahren allerdings schon sukzessive begonnen und das gilt es zu verhindern, während Leute hier immernoch das Märchen von den bewaffneten Entwicklungshelfern und dem Sturmgeschütz der Menschenrechte glauben.

Update: Ich entschuldige mich, habe dem Deutschlandfunk unrecht getan. Die umstrittene Passage wurde nicht gestutzt und ist (wieder?) gut dokumentiert für jeden in dieser Textmeldung einsehbar.

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Uncategorized

Süßer die Sektkorken nie knallen…

„Todesscheitel von Eschborn“, „Brutalstmöglicher Aufklärer“, „Rechtspopulist“, „Hessen-Hitler“, „Dicklippe“, „Kotz-Koch“. Viele Namen wurden ihm schon von Freunden und Bewunderern gegeben… liebe Kinder haben 1000 Namen, besagt ein frei erfundenes Sprichwort.

Politik sei nicht sein ganzes Leben: das ist die Quintessenz der Motive, die er persönlich für seinen Rückzug aus der Politik angegeben hat — glaubwürdig wie eh und je für einen politischen Ziehsohn Kohls, einen, der mit 14 der Jungen Union beitrat, einen der jüngsten Ministerpräsidenten, den wir in Deutschland je hatten, ein Mitglied des sog. „Andenpaktes“, welches viel Zeit und Arbeit investiert hat, um aus losen Fäden Seilschaften und schließlich Netzwerke der Macht zu knüpfen. Persönlich möchte ich also gern wissen, warum Roland Koch seine politische Karriere beendet… und das, wobei er gewohnt glaubwürdig noch vor zwei Wochen signalisiert hat, dass „niemand die Absicht hat, eine Mauer zu errichten“, bzw. „zurückzutreten“ und nun er (und Merkel) es jetzt doch angeblich schon seit einem Jahr wussten.

Spekulationen kann man viele betreiben… Ein neuer Coup von Mutti aus Berlin, um einen ihrer Gegner loszuwerden (vgl. Merz, Oettinger)? Hat Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber vielleicht ausgesagt? Ist irgendwo ein finanziell lukrativer Posten aufgetaucht (vgl. Gazprom-Gerd), gern auch mit Schweigegeldzuschlag? Stellt sich Roland Koch eine Einflussnahme auf die Politik abseits prominenter Ämter, nur auf dem Wege über seine vielen Lakaien, opportuner vor? Oder sind es, und das meine ich nun nicht sarkastisch, private Gründe?

Zweierlei Dinge sind jedenfalls nicht passiert: Koch ist über keine seiner Affären (z.B. die „jüdischen Vermächtnisse“ samt aller nachfolgenden Schwindeleien und Vertuschungsversuche, Abservieren des ZDF-Chefredakteurs Brender), nicht über seine schwarz-braunen Flirts und auch nicht über die vielen (glücklicherweise meist gescheiterten) undemokratischen Attacken auf den Rechtsstaat (präventive Überwachung von Handys, Kopftuchverbot, systematische DNA-Analysen von Kindesbeinen an, …) gestolpert. Zweitens konnte niemand dem „bad cop“ der Bundespolitik in Debatten jemals Paroli bieten: weder haben seine oft reaktionären Äußerungen den medialen Verriß erfahren, den sie verdient hätten, noch konnte irgendeine andere Partei in Hessen politisches Kapital daraus schlagen und in Wählerstimmen umsetzen.

Für mich bleibt deshalb Kochs Rückzug ein Rätsel da er einerseits ein erwiesener Machtmensch ist, und man andererseits aus einer offensichtlichen Gewinnsträhne nur dann aussteigt, wenn anderswo mehr zu holen wäre, sprich: der Rückzug keiner ist. Trotzdem ist das Abdanken des hessischen Landesfürsten, der diesen Titel in bester absolutistischer Tradition auch verdient hat, ein Glücksfall. Dass ich das angesichts der obigen Ausführungen sage, wird wohl niemanden überrascht haben. Auch die FR-Leser in der Umfrage zum Koch-Artikel sehen das erfreulicherweise so.

Während die Medien sich schon vollkommen sinnlos mit Volker Bouffier als möglichem Nachfolger abkaspern, hoffe ich doch sehr, dass sie stattdessen ein wenig mehr an der Person Koch dranbleiben und die Vorgeschichte dieses Rücktritts publik machen werden.

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Big Brother, Technisches

Car manufacturers will be watching you

In unserer heutigen Zeit scheint uns der ganze Überwachungszirkus gar nicht mehr bewußt zu sein. Über unsere Handys können wir per Triangulation geortet werden. Dank der LKW-Maut können zumindest ohne weiteres die Bewegungen von LKWs kontrolliert werden und wenn die Regierung lustig ist, könnte sie die Kontrollbrücken zur automatischen Mautkontrolle von LKWs auch so umprogrammieren lassen, daß PKWs registriert werden.

Das sollte doch eigentlich reichen, oder? Vorhang frei für die Autohersteller. Ich war sehr erstaunt als ich diesen Beitrag über 7er BMWs gesehen habe, die von BMW-Mitarbeitern, die in Call-Centern sitzen, „remote“ aufgesperrt und theoretisch sogar gestartet werden können (erinnert euch an Stirb Langsam 4.0).

Derzeit macht ein Gerücht die Runde, daß Google mit General Motors bei der Entwicklung des Chevrolet Volt, der technisch mit dem 2011 erscheinenden Opel Ampera identisch ist, kooperiert. Wie genau die Verzahnung von Google und Autos aussehen soll ist nur Spekulation. Es wird gemunkelt, daß Android als Betriebssystem für den Bordcomputer benutzt werden könnte oder, daß per Handy eine Kommunikation zwischen Autobesitzer und Auto hergestellt werden könnte, ohne daß der Besitzer im Auto sitzt, was für Wartungszwecke oder bei Elektroautos für Ladezustände interessant sein könnte.

Natürlich sind Möglichkeiten da die Daten zu mißbrauchen und diese scheinen auch sehr interessant zu sein. Welchen offiziellen Nutzen Google daraus ziehen wird, wird eine interessante Frage sein (Bekommt man Werbung auf den Autobildschirm, wenn man am Mediamarkt vorbeifährt?). Der BND wüßte sicherlich gerne wann jemand außer Haus ist, um bei ihm während seiner Abwesenheit einen Besuch abzustatten. Und wer weiß, vielleicht läßt sich eines Tages auch so manch unbeliebter Kritiker durch einen ferngesteuerten Autounfall aus dem Weg räumen. Neben Drohnen ein weiteres Beispiel dafür, daß Tötungen Computerspielcharakter bekommen.

Reichen Smartphones nicht mehr aus? Muß das Auto jetzt auch noch petzen? Ich bin alles andere als technophob, aber Verbrauchern sollte immer die Gelegenheit gegeben werden zu entscheiden welche Ausstattung ihr Produkt hat und wieviele Informationen sie preisgeben. Die Hersteller sollten Datenschutz respektieren und Voreinstellungen ihrer Produkte dementsprechend vornehmen. Ich kann nur dazu raten, daß auch Nutzer Firmen meiden sollten, die sorglos mit Daten umgehen, ansonsten droht die zuckerbergsche Prophezeiung wahr zu werden und Privatsphäre wird keine Rolle spielen.

UPDATE:

Einen Tag nachdem ich meinen Blogpost veröffentlicht habe, erschien auf bbc.co.uk die Meldung, daß amerikanische Forscher festgestellt haben, daß die computergesteuerten Kontrollsysteme moderner Autos leicht zu knacken sind. Der Motor eines Autos kann ausgeschaltet und die Türen können beispielsweise verschlossen werden – ein schöner Gedanke, wenn man mit dem Auto über Bahngleise fährt. Die Gefahr sei laut der Wissenschaftler nicht so groß, da – anders als bei den 7er BMWs – die meisten Autos noch nicht ständig mit dem Internet verbunden sind. Wie auch immer, ein geschickter Bastler könnte sich eine Box selber bauen, die ein Smartphone, das mit dem Internet verbunden ist, enthält, mit dessen Hilfe die Werte die Autocomputer manipuliert werden.

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Schmarotzertum, Wirtschaft

Im Netz der Spinne(r)

Geld regiert bekanntlich die Welt, wie auch Verbindungen der Wirtschaft mit der Politik zeigen. Aber wer regiert eigentlich das Geld?

Ich fand den Beitrag von „Erwin Pelzig“ zu dem Thema sehr hilfreich. Es wird illustriert wie elf Männer in den höchsten Chefetagen der deutschen Wirtschaft miteinander verbunden sind.

Die elf Männer sind:

  • Josef Ackermann: Deutsche Bank, Siemens, Bayer, Lufthansa
  • Michael Diekmann: Allianz, BASF, Siemens, Lufthansa
  • Clemens Börsig: Daimler, Lufthansa
  • Jürgen Strube: Allianz, Bertelsmann, BASF
  • Wulf Bernotat: E.ON, Allianz, Bertelsmann
  • Ulrich Hartmann: E.ON, Lufthansa
  • Henning Schulte-Noelle: Allianz, E.ON, Thyssen-Krupp
  • Werner Wenning: E.ON, Bayer, Deutsche Bank
  • Jürgen Weber: Lufthansa, Bayer, Allianz
  • Gerhard Cromme: Allianz, E.ON, Siemens, Thyssen-Krupp, Lufthansa
  • Jürgen Hambrecht: Lufthansa, Daimler, BASF

Korrekterweise haben Betrachter des Videos angemerkt, daß es etwas seltsam ist, wenn Menschen Jobs in drei Firmen haben, weil es zeitlich nicht machbar ist. Hier dürften ähnliche Überlegungen wie auch bezüglich Nebengehälter von Politikern gelten: Rein zeitlich können sie ihre Arbeit gar nicht gut machen und sind deswegen ihr Geld nicht wert, d.h. jemand anders -vielleicht jemand ohne Arbeit?- sollte ihre Arbeit übernehmen und sie ordentlich machen. Wahrscheinlich geht es bei den Engagements aber nicht um deutsche Tugenden wie ordentlicher Arbeit, sondern eben um ein Netz zu schaffen bei dem es Aussenstehende schwer haben sich einzumischen.

Mir ist bei der Präsentation Pelzigs aufgefallen, daß er die eine oder andere Verbindung nicht aufgezählt hat, was bei der Menge an Verbindungen verständlich ist. Außerdem mißfiel dem Nerd in mir, daß er das Netz als gerichteten Graphen gezeichnet hat. Aufgrund der beiden Mankos habe ich mich entschlossen, das Netz nachzuzeichnen. Einige Verstrickungen wie Ackermanns Tätigkeit in der Lufthansa sind wahrscheinlich nicht mehr aktuell, diese sind in gestrichelten Linien dargestellt. Hier offenbart sich noch ein anderes Problem: die Entwicklung solcher Netze über Zeiträume.

Zeigt Verbindungen der wichtigsten Männer in der Wirtschaft an

Die Verbindungen der elf Klone (Zur Vergrößerung auf die Grafik clicken)

Noch ein paar technische Randbemerkungen zur Erstellung der Grafik. Mehrfache Verbindungen zwischen zwei Männern, wie beispielsweise zwischen Gerhard Cromme und Henning Schulte-Noelle, sind beabsichtigt, damit der Betrachter weiß wie oft die Herren sich in Meetings über den Weg laufen. Besonders künstlerisch wertvoll ist die Grafik nicht, was daran liegt, daß ich sie automatisch mit Graphviz erstellt habe. Ich wollte die Grafik erst selber mit dem Tool yEd erstellen, was sich als zu mühsam erwies, um es per Hand zu zeichnen – bei 64 Verbindungen sollte das nachvollziehbar sein.

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Übrigens

Μαντείο

Auf meinem Bulgarien-Trip habe ich u.a. das Orakel von Perperikon besucht, gleichzeitig die größte steinzeitliche Siedlung auf dem Balkan. Auch Alexander der Große soll hier seinen Orakelspruch erhalten haben. Mein heutiger Orakelspruch wird allerdings verglichen dazu bescheidener ausfallen…

Morgen ist ja Wahl in NRW. Unterm Strich das Ergebnis: Rüttgers wird Ministerpräsident bleiben. Die schwarz-gelbe Regierung ist allerdings stark am Wackeln; sollte die FDP das Ergebnis einfahren, was sie verdient, dann werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach die Grünen als Partner der Konservativen anbieten. Nach Basisdemokratie und Pazifismus müssten sie damit wohl auch die Gegnerschaft zur Atomkraft als letztes Kernmerkmal dieser Partei in den Gulli kippen. Da die SPD-Kandidatin Hannelore Kraft ja schon mehrfach gezeigt hat, dass sie nicht regieren und keinesfalls die Ypsilanti machen will, käme möglicherweise auch eine große Koalition in NRW infrage; Traumziel wäre allerdings Schwarz-Grün, da die einerseits nicht so bräsig sind wie die SPD und andererseits weder solch nervigen Krakeeler auffahren noch so teuer sind wie letzthin die FDP.

Damit wäre auch der Bundesrat so eingestellt, dass beim immer wieder für nach den NRW-Wahlen prognostizierten sozialen Kahlschlag endlich die Axt gewetzt ist und angelegt werden kann. Zum Glück ist ja bald Fußball-WM… da sind viele Leute abgelenkt und im Juni und Juli werden demnach ohne große öffentliche Aufmerksamkeit die Kernpunkte der schwarz-gelben Bundesregierung gesetzlich verankert werden. Auch Rösler wird plötzlich wieder aus der Versenkung auftauchen, und (wohlwollender formuliert natürlich) feststellen, dass Kranke und Alte (wie auch Arbeitslose) eigentlich Schädlinge am Volkskörper und ergo sanktionsfähig sind. Die Kanzlerin wird ihr Lavieren für kurze Zeit einstellen und ein paar grundsätzliche Fakten schaffen. Der Druck auf Schäuble wird zunehmen, da er sich in dieser Regierung als einziger wie die von Merkel oft erwähnte, vernünftig sparsame „schwäbische Hausfrau“ verhält — eigentlich schon bitter sagen zu müssen, dass ausgerechnet der (auch von mir) heftig kritisierte Ex-Innenminister das letzte Fünkchen Ratio in diesem Kabinett ist und tatsächlich das macht, wofür er steht: konservative Politik. Steuersenkungen, Versorgunsposten, staatliche Subventionen bei weiteren Waffendeals sowie anstehende Bail-Outs in der Eurozone kosten allerdings deutsches Steuergeld. Heißer Tip des Finanzdienstleister-Blogs Neues aus dem Neuronenwald: der nächste Renner werden Leerverkäufe von spanischen Staatsanleihen 🙂

In einem Satz: Gewinner der Wahl wird die KED (Kapitalistische Einheitspartei Deutschlands) mit ihren Blockflöten CDU, SPD, FDP und Grüne. Verlierer wird eine Alternative zum aktuellen Polit-Mainstream sein: eine humanistische Politik, die den Menschen nicht als bloße human resource sieht und den Souverän anders behandelt als eine zu verwaltende und bilanzierbare wirtschaftliche Spekulationsmasse.

Vielleicht werden wir dieses Jahr wenigstens Weltmeister!

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Naher Osten

Al-Turkiya – Ankaras neuer Draht zur Arabischen Welt

China, Frankreich, Iran, Russland, UK und USA haben jeweils schon einen Fernsehrsender in der Region. Seit Sonntag folgt die Türkei mit „Al-Turkiya“, (Arabisch für „Der Türkische (Channel)“ dem Trend, Nachrichtensender nach dem Vorbild des Marktführers Al-Jazeeras für die arabische Welt zu starten. Dieses Phänomen kommt nicht von ungefähr, gibt es doch knapp 300 Millionen potenzielle Zuschauer. Die mediale Erschließung dieses Potentials ist nun ganz im Zeichen einer Annäherung auf allen Gebieten seitens Ankaras an die arabische Welt zu sehen.

Der Start des Senders am Sonntag war im nationalen Interesse der Türkei. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan selbst sprach während der Einweihungszeremonie für den neuen Sender von einem „historischen Tag für die türkisch-arabische Freundschaft.“ Von einer Kommunikationsverbindung zwischen den Herzen der arabischen und türkischen Welt und von einem Sender „der unsere Herzen vereint“ war sogar die Rede. Dies dürfte die arabische Welt schmeicheln, ist Erdogan dort doch sowieso schon seit seinem Protest 2009 gegen die israelische Bombardierung Gazas in Davos populär. Damals hieß es in der arabischen Welt, dass die eigenen Führer schwiegen, während Erdogan protestierte.

Verbesserte Beziehungen in die arabische Welt
Tatsächlich sind diese Aussagen für die Außenpolitik der Türkei mehr als nur ein schönes Wort zum Sonntag. Fast ein Jahrhundert blieb die Türkei gegenüber der arabischen Welt verschlossen. Die Araber hätte die Türken im Osmanischen Reich, während des ersten Weltkriegs, „verraten“ hört man noch heute einige türkische Nationalisten behaupten. Die Türkei sei von Feinden umgeben. Nach der Aufbesserung der Beziehungen zu Syrien, der Wiederbelebung einer Eisenbahnverbindung in den Irak in der Tradition der „Bagdadbahn“ und dem zumindestens verbalen Mitspielen im Nahostkonflikt, ist der Start von „Al-Turkiya“ nun aber ein weiteres von vielen symbolischen Schritten, die zeigen, dass Ankara seine Fühler wieder Richtung Osten streckt.

Diese Ausrichtung scheint Teil einer Gesamtstrategie der türkischen Außenpolitik zu sein, die strategisch günstige Lage des Landes in politisches und wirtschaftliches Kapital umzumünzen. Spätestens seit der Beitritt in die EU durch die Wahl von Sarkozy in Frankreich und Merkel in Deutschland in weite Ferne gerückt zu sein scheint, öffnet sich die Türkei zu den Machtzentren in seiner direkten Umgebung. Neben der Offensive in die arabische Welt sind die Beziehungen zur Regionalmacht Iran gut, das Verhältnis zu Russland, das jahrhundertelang durch gegenläufige Hegemonialbestrebungen und dem Beitritt der Türkei zu Nato geschwächt war, befindet sich wirtschaftlich und politisch im Aufschwung. Nicht zuletzt bei der Kooperation im Bereich Energiepolitik nutzt Ankara seine Lage als Transitland und kooperiert hier mit Russland.

Unter diesem Blickwinkel dürfte auch eine kleine Zuschauerzahl für „Al-Turkiya“ für die Interessen Ankaras keine Enttäuschung sein. Der TV-Sender mit Live Sendungen aus Kairo, Beirut und Damaskus ist allein durch seine Existenz schon ein PR-Produkt, das in der Arabischen Welt seine Wirkung haben wird. Zwar öffnet sich die Türkei politisch und wirtschaftlich und nun auch medial in alle Richtungen, nirgends wird das aber so positiv erlebt wie in den arabischen Ländern. Al-Turkiya wird damit ein weiterer Meilenstein in der Wandlung des Türkeibewusstseins der Arabischen Welt sein. Vom feindlichen gesinnten nördlichen Nachbarn, der nicht nur Nato-Mitglied sondern auch Verbündeter Israels ist und als Bittsteller bei der EU als nicht unabhängig empfunden wurde, entwickelt sich von Kairo über Beirut bis Bagdad ein Türkeibild von einem, in lange vergessener und nun wiedererwachter Freundschaft, selbstbewussten politisch aufstrebendem Akteur.

Co-published: politruc.com

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Technisches, Web

Hast du ein Gesichtsbuch?

Ich habe schon fast ein schlechtes Gewissen, daß ich Freunden vor einiger Zeit facebook aufgeschwätzt habe. Gut, es war so, daß viele damals studivz nutzten und ich die Vorteile von facebook gegenüber dem deutschen Klon gesehen habe. Facebook ist internationaler, was gut ist, wenn man Freunde hat, die im Ausland leben und kein deutsch sprechen. Technisch war facebook studivz immer voraus, so war eine Chatfunktion und Twitteranbindung, sowie die Integration von Videos viel früher bei facebook möglich. Ebenso wurde man bei studivz ständig mit CAPTCHAs und Serverausfällen genervt. Mich wundert und ärgert diese technische Unterlegenheit der deutschen Kopie -das kommt noch hinzu: der Verdacht, daß studivz Quellcode von facebook gestohlen hat-, schließlich wurde studivz für eine Menge Geld (man munkelt zwischen 85 und 100 Mio. Euro) gekauft. Wäre ein Teil davon in die technische Infrastruktur gesteckt worden, hätte studivz auch sicher nicht den schlechten Ruf und den Mitgliederschwund, den es jetzt hat.

Der Fall scheint also klar zu sein: Technisch und demographisch ist facebook die bessere Option. Was spricht jetzt gegen facebook? Generell ist dazu zu raten, daß Nutzer sparsam mit ihren Daten in sozialen Netzwerken umgehen. Vor kurzem wurde angeblich facebook von einem neuseeländischen Hacker geknackt. Man stelle sich den Schaden vor:

  • SPAM-Nachrichten können versendet werden, wobei die Empfänger dem möglicherweise auf den Leim gehen werden, da sie dem befreundeten Absender vertrauen.
  • Passwörter können abgerufen werden. Einige Nutzer haben ein einziges Passwort für verschiedene Internetapplikationen, das heißt, daß Hacker eventuell auf sensible Daten im e-mail-Account des Nutzers zugreifen können, wenn die Passwörter identisch sind.
  • Data-Mining ist möglich. Anstatt offiziell bei facebook mit großem finanziellen Aufwand einzusteigen, wäre es nun Firmen und Geheimdiensten möglich, durch ein illegales Geschäft mit dem Hacker sich facebooks Datenbanken zu ermächtigen und nach interessanten Daten, wie „Welche Produkte sprechen welche Altersgruppe an?“ oder „Wer ist wann, wohin gereist?“ zu suchen.

Wer sehen will, wie transparent sein Profil derzeit ist, kann es mit dieser Applikation testen. Man gibt entweder sein Alias, das ist ein Name der für gewöhnlich hinter http://www.facebook.com/ steht, oder seine ID, welches eine Folge von Zahlen ist, ein und man kann sehen, welche Daten öffentlich zur Verfügung stehen.

Die oben genannten Gefahren sind natürlich allgemeine Gefahren bei der Benutzung sogenannter sozialer Netzwerke. Nun kann aber ein Mißbrauch des Datenzugriffs nicht nur von außerhalb, sondern auch innerhalb facebooks passieren. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der facebook-Nutzer rasant gestiegen, sodaß heute von 400 Mio. aktiver Nutzer die Rede ist. Mit dem Anwachsen der Nutzerzahl, wuchs auch das finanzielle Interesse welches sich in Investitionen widerspiegelt. Interessanterweise ist gleichzeitig eine Auflockerung des Datenschutzes beobachtbar. So wurden Daten defaultmäßig immer größeren Gruppen zugänglich: von Leuten der gleichen Bildungseinrichtung bishin zur weltweiten Offenlegung durch Indizierung des Profils durch Suchmaschinen. Interessant ist auch die letzte Neuerung vom April, nämlich, daß auch Applikationen Zugriff auf das Profil haben. Als gewieftes IT-Unternehmen kann man ein cooles Programm schreiben und kommt so an Daten, die man munter weiterverscherbeln kann, wie ich es oben angeführt hatte. Dies ging auch nicht an einigen amerikanischen Senatoren vorbei, die sich jetzt für einen besseren Datenschutz aussprechen.
Und nicht nur die IT-Unternehmen können sich der Daten bedienen. Facebooks Investoren können ganz legal vieles über die Nutzer herausfinden. Microsoft kann beispielsweise durch intelligente Marktanalyse versuchen sein Sterben hinauszuzögern.

Bedenklich ist darüberhinaus auch die Verbindung facebooks zum CIA. Accel Partners war einer der ersten Geldgeber facebooks. In dessen Vorstand sitzt ein gewisser Gilman Louie, der auch CEO der Firma In-Q-Tel ist, welche vom CIA gegründet wurde, um dem CIA informationstechnisch Vorteile zu bereiten. Mit einer Beteiligung bei facebook scheint man in der besten Position zu sein da aushelfen zu können.

Ebenfalls bei facebook beteiligt ist der PayPal-Gründer Peter Thiel. Wenn man sich die Verbindungen anschaut, dann sollte es einen nicht wundern, daß „versehentlich“ die Wikileaks Fanpage auf facebook gelöscht wurde, sowie daß PayPal im Januar das Wikileakskonto eingefroren hat.

Was soll man jetzt machen? Ich gebe euch eine Antwort á la Peter Lustig: „Einfach mal abschalten abmelden!“

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