„Todesscheitel von Eschborn“, „Brutalstmöglicher Aufklärer“, „Rechtspopulist“, „Hessen-Hitler“, „Dicklippe“, „Kotz-Koch“. Viele Namen wurden ihm schon von Freunden und Bewunderern gegeben… liebe Kinder haben 1000 Namen, besagt ein frei erfundenes Sprichwort.
Politik sei nicht sein ganzes Leben: das ist die Quintessenz der Motive, die er persönlich für seinen Rückzug aus der Politik angegeben hat — glaubwürdig wie eh und je für einen politischen Ziehsohn Kohls, einen, der mit 14 der Jungen Union beitrat, einen der jüngsten Ministerpräsidenten, den wir in Deutschland je hatten, ein Mitglied des sog. „Andenpaktes“, welches viel Zeit und Arbeit investiert hat, um aus losen Fäden Seilschaften und schließlich Netzwerke der Macht zu knüpfen. Persönlich möchte ich also gern wissen, warum Roland Koch seine politische Karriere beendet… und das, wobei er gewohnt glaubwürdig noch vor zwei Wochen signalisiert hat, dass „niemand die Absicht hat, eine Mauer zu errichten“, bzw. „zurückzutreten“ und nun er (und Merkel) es jetzt doch angeblich schon seit einem Jahr wussten.
Spekulationen kann man viele betreiben… Ein neuer Coup von Mutti aus Berlin, um einen ihrer Gegner loszuwerden (vgl. Merz, Oettinger)? Hat Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber vielleicht ausgesagt? Ist irgendwo ein finanziell lukrativer Posten aufgetaucht (vgl. Gazprom-Gerd), gern auch mit Schweigegeldzuschlag? Stellt sich Roland Koch eine Einflussnahme auf die Politik abseits prominenter Ämter, nur auf dem Wege über seine vielen Lakaien, opportuner vor? Oder sind es, und das meine ich nun nicht sarkastisch, private Gründe?
Zweierlei Dinge sind jedenfalls nicht passiert: Koch ist über keine seiner Affären (z.B. die „jüdischen Vermächtnisse“ samt aller nachfolgenden Schwindeleien und Vertuschungsversuche, Abservieren des ZDF-Chefredakteurs Brender), nicht über seine schwarz-braunen Flirts und auch nicht über die vielen (glücklicherweise meist gescheiterten) undemokratischen Attacken auf den Rechtsstaat (präventive Überwachung von Handys, Kopftuchverbot, systematische DNA-Analysen von Kindesbeinen an, …) gestolpert. Zweitens konnte niemand dem „bad cop“ der Bundespolitik in Debatten jemals Paroli bieten: weder haben seine oft reaktionären Äußerungen den medialen Verriß erfahren, den sie verdient hätten, noch konnte irgendeine andere Partei in Hessen politisches Kapital daraus schlagen und in Wählerstimmen umsetzen.
Für mich bleibt deshalb Kochs Rückzug ein Rätsel da er einerseits ein erwiesener Machtmensch ist, und man andererseits aus einer offensichtlichen Gewinnsträhne nur dann aussteigt, wenn anderswo mehr zu holen wäre, sprich: der Rückzug keiner ist. Trotzdem ist das Abdanken des hessischen Landesfürsten, der diesen Titel in bester absolutistischer Tradition auch verdient hat, ein Glücksfall. Dass ich das angesichts der obigen Ausführungen sage, wird wohl niemanden überrascht haben. Auch die FR-Leser in der Umfrage zum Koch-Artikel sehen das erfreulicherweise so.
Während die Medien sich schon vollkommen sinnlos mit Volker Bouffier als möglichem Nachfolger abkaspern, hoffe ich doch sehr, dass sie stattdessen ein wenig mehr an der Person Koch dranbleiben und die Vorgeschichte dieses Rücktritts publik machen werden.